Projektwirtschaft: Im Jahr 2025 werden wir unser Geld nicht mehr wie heute verdienen

Wenn ich mit meinen Eltern (alternativ: Menschen, die gerade einmal eine Generation älter sind als ich) spreche, kommt es mir manchmal so vor, als kämen wir aus zwei verschiedenen Welten. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit davon auszugehen, dass ich meinen jetzigen Beruf nicht bis zum Rentenalter ausüben werde. Schon jetzt folgt mein Lebensweg keiner geraden Linie: Obwohl ich Geisteswissenschaften studierte, arbeite ich in der Unternehmensberatungsbranche und bin überglücklich damit. Vielleicht ändern sich die Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren so sehr, so dass ich mir ein neues Berufsfeld erschließen werde.

Vor nicht allzu langer Zeit war das ganz anders. Man hatte einen Beruf und übte ihn im Regelfall bis zur Rente aus. Die Anforderungen änderten sich über die Jahrzehnte grundlegend. Heute ist der Takt, in dem sich der Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft vollzieht, im Vergleich zu früher enorm schnell. Die digitale Transformation verwandelte unsere Art zu wirtschaften schon jetzt enorm. Ich halte diesen Wandel für so elementar, dass ich mir sicher bin, dass ich 2025 mein Geld nicht mehr so verdienen werde wie heute.

Der Strukturwandel von Gesellschaft und Wirtschaft

Wir erleben einen vollständigen Strukturwandel von Gesellschaft und Wirtschaft, den ich in sechs Bereiche einteile:

  1. Demographischer Wandel: Durch die Errungenschaften in Medizin, Forschung, Hygiene und Lebensmittelproduktion werden wir Menschen älter als alle Generationen in der Menschheitsgeschichte vor uns.
  2. Globalisierung: Durch die digitale und physische Vernetzung der Welt durch Daten- und Verkehrsnetze leben wir heute ebenfalls in einer noch nie so da gewesenen Situation: Märkte, Tourismus und auch Umweltprobleme sind globale Phänomene.
  3. Das Erstarken von China und Indien: Ohne Vergleich sind die Wachstumsraten der beiden Länder. Hier etablieren sich zwei neue Player im globalen Kontext, die in absehbarer Zeit auf Augenhöhe mit den führenden Industrienationen sind.
  4. Klimawandel: Die Effekte, die eine Folge der Erhöhung der globalen Temperaturen sind, sind schon heute unübersehbar und werden sich noch steigern. Sie zwingen uns zum Umdenken und Neudenken unseres Wirtschafts- und Energiesystems.
  5. Wissensgesellschaft: Der Technologisierung und Automatisierung fallen enorm viele Arbeitsplätze zum Opfer. Maschinen übernehmen immer mehr Aufgaben, die lange von Menschen ausgeführt werden mussten. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Wissensarbeitern, die in einer Arbeitswelt mit neuen Bedingungen tätig sein werden.
  6. Beschleunigung: Die Steigerungsraten des technischen Fortschritts erfolgen exponentiell. Das hat zur Folge, dass die Änderungen, die damit zusammenhängen, sich ebenfalls immer schneller vollziehen.

Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2025

Die Veränderungen in diesen sechs Bereichen halte ich für so umfassend, dass ich keine historischen Vergleiche bemühen möchte. Wenn von einer weiteren „industriellen Revolution“ die Rede ist, halte ich das für extrem untertrieben. Die umfassende Vernetzung durch das Internet der Dinge wird uns ein umfassendes Wissen über die Warenströme, Produktion, Logistik und Konsumverhalten liefern. Mit diesem Wissen können Produkte sehr viel besser auf die Konsumenten, die ich Innosumenten nenne, zugeschnitten sein. Die Wertschöpfungsketten sind offener und kurzlebiger, dafür sind Dienstleistungen und Produkte intelligenter und spezialisierter.

Um in einer derart vernetzten Welt der Dinge, Unternehmen, Institutionen und Menschen zu agieren, sehe ich keinen anderen Weg, als dass sich die Organisationsformen der Wirtschaft ebenso wandeln werden. Offene Strukturen, starke Vernetzung und Kooperationen mit einer großen Zahl von Spezialisten sind die Antwort auf die Vernetzung. Da ich die Wirtschaft nicht isoliert betrachte, sondern diese als einen Teil der Gesellschaft begreife, sehe ich auch dort ähnliche Veränderungen auf uns zukommen. Stärkere Befristung, Projektarbeit, Selbständigkeit sowie eine erhöhte Mobilität und eine Dynamisierung des Arbeitsmarkts werden die Regel werden. Die Anforderung an Wissen und Qualifikationen werden durch die schnell getakteten Erneuerungszyklen intensiver. Fähigkeiten, die auf einem internationalen Markt nötig sind wie interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse, werden stärker denn je gefragt sein.

Projektwirtschaft tritt an die Stelle der „traditionellen Wirtschaft“

Wenn ich einen Begriff für all diese Entwicklungen finden müsste, der diese neue Art des Wirtschaftens auf den Punkt bringt, so wäre es eindeutig: „Projektwirtschaft“. Die Wertschöpfung erfolgt in der Projektwirtschaft kooperativ in organisatorisch und rechtlich eigenständigen, temporären Projekten. Ihre Kerneigenschaften sind damit: eine hohe (zeitliche) Flexibilität und Offenheit; sie ist wissensintensiv, heterogen und von stark ausgeprägten Netzwerk-Strukturen geprägt.

2025 werden wir Geld nicht mehr so verdienen wie heute. Die Zukunft gehört der #Projektwirtschaft.

Ich sehe in der Projektwirtschaft die logische Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen, die sich für mich bereits heute deutlich abzeichnen. Die vier entscheidenden Vorteile der Projektwirtschaft: Sie liefert die nötige, kritische Wissensmasse, weil jeder Beteiligte in einem Projekt einen wesentlichen Teil zur Gesamtlösung beiträgt. Sie fördert die Geschwindigkeit und Flexibilität, weil Projekte nur so lange existieren, wie sie gebraucht werden. Sie ermöglicht die Verteilung von Risiken, weil Unternehmen gleichzeitig in verschiedene Richtungen gehen können. Sie fördert Innovationen, weil immer neue, heterogene Teams gebildet werden können, die auf immer neue Ideen kommen.

Die neuen Herausforderungen der Projektwirtschaft

Die Projektwirtschaft, deren Umrisse ich hier dargestellt habe, bringt eine Reihe Herausforderungen für den Einzelnen und für die Unternehmen mit sich. Als Unternehmen muss ich mich öffnen und neue Kooperationen wagen. Das bedeutet auch, dass ich meine Partner an meinem Wissen und meinen Vorhaben teilhaben lassen muss. Ich verstehe voll und ganz, dass damit auch gewisse Ängste verbunden sind. Die Gefahr der Wirtschaftsspionage ist damit gegeben und meine Konkurrenten könnten sich einen Vorteil dadurch verschaffen. Ich bin gleichzeitig davon überzeugt, dass es sich für Unternehmen lohnt, sich auf eine neue Kultur der Offenheit einzulassen.

Allein weil meine Mitwettbewerber diesen Weg einschlagen werden und der Innovationsdruck ständig steigt, darf ich diesen Weg nicht ausschließen. Diese Ängste werden sich spätestens dann verflüchtigen, wenn sich eine neue Kultur der Anerkennung des Wissens anderer etabliert hat. Für einen unerlässlichen Teil der neuen Wissenskultur halte ich einen neuen rechtlichen Rahmen zum besseren Schutz von Daten und Wissen. Angesichts der massiven Änderungen, die ich oben beschrieben habe, brauchen wir dringend eine neue Form des Wirtschaftens, um die eigentlichen Herausforderungen mit globalen Ausmaßen, vor denen wir stehen, zu meistern. In der Projektwirtschaft sehe ich genau diese neue Form des Arbeitens der Zukunft.