Alle Vertreter der Wirtschaft und der Politik stehen heute gleichermaßen vor epochalen Aufgaben. Einige davon sind Megatrends, die sowohl unsere gegenwärtige als auch die noch kommenden Generationen beschäftigen werden. Ich möchte nur die meiner Ansicht nach wichtigsten Zukunftsthemen nennen: Die Energiewende, die zwar formal „beschlossen“ ist, braucht noch viele zukunftsweisenden Konzepte, um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen. Auch die Sicherung des Wohlstandes wird angesichts der immer wiederkehrenden Wirtschaftskrise noch lange auf der Tagesordnung sein.
Zwei weitere Megatrends der Zukunft sind die Urbanisierung und die stetige Zunahme an Mobilität. Schon heute lebt die Hälfte der Menschheit in Städten. Bis 2050, so eine Prognose der Vereinten Nationen, werden 70 Prozent der Menschen ihr Glück und ihre Zukunft in den Städten suchen. Gleichzeitig steigt bei diesen Menschen der Wunsch, mobil zu sein. Beide Trends zusammen scheinen sich jedoch auszuschließen – hier braucht es neue, wegweisende Konzepte. Und schließlich verändert die Digitalisierung all unsere Lebensbereiche in einer Weise, wie sie einmalig in der Menschheitsgeschichte ist. All diese Herausforderungen sind meiner Meinung nach nur unter einer Voraussetzung zu schaffen: Wir brauchen sowohl in der Politik wie auch in der Wirtschaft ein neues Verständnis von Leadership.
Die Verantwortung und Macht der Entscheidungsträger
Diese zentralen Herausforderungen – Energiewende, Wohlstandssicherung, Urbanisierung, Mobilität und Digitalisierung – betreffen keine ferne Zukunft, sondern sind längst aktuell. Sie betreffen in ihren Auswirkungen die Gesellschaft(en) als Ganzes. Darum müssen sie sozio-ökonomisch begriffen werden und können nur von Wirtschaft und Politik gemeinsam gelöst werden. Dennoch kommt den Entscheidungsträgern eine besondere Macht und damit eine besondere Verantwortung zu. Führungskräfte können und müssen gestalterisch tätig werden, um mit den aktuellen Veränderungen umzugehen. Veränderungen wie die Urbanisierung müssen gezielt gesteuert werden, damit die Städte als funktionierendes System nicht kollabieren.
Die Digitalisierung als Teil der Lösung
Unter den genannten Zukunftsthemen sehe ich die Digitalisierung in einer Sonderrolle. Sie stellt nicht nur eine Herausforderung dar, sondern ist zugleich ein Teil der Lösung für viele Probleme. Wenn es etwa um die Energiewende geht, kann die digital vernetzte Stadt, die Smart City, dafür sorgen, dass weniger Energie verbraucht wird. Gesteigerte Mobilität in den Großstädten muss nicht zwangsläufig zum Verkehrschaos führen. Carsharing, Connecded Car und Geschäftsmodelle aus der Sharing Economy wie beispielsweise Uber zeigen Wege auf, wie Mobilität in Zukunft funktionieren kann. Ich bin darum überzeugt, dass ohne eine gesteigerte Sensibilität für das Thema Digitalisierung, kein Konzept von Leadership auskommen darf.
Digitalisierung spielt die Sonderrolle innerhalb der Trends, die unser Leben in Zukunft verändern.
Die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten von Leadership
Leadership im digitalen Zeitalter zeichnet sich also durch ein starkes Bewusstsein für die kommenden Veränderungen aus. Nur wer eine genaue Vorstellung davon hat, was „digitaler Wandel“ bedeutet, kann überzeugend die Konzepte verkörpern, die zur Lösung der eingangs von mir skizzierten, großen Veränderungen. Auch Leadership selbst, wie ich es hier definieren möchte, hat etwas mit Wandel zu tun. Leadership ist nichts, was man mit einem neuen Posten oder einer neuen Position einfach „hat“. Ich denke vielmehr, dass Leadership selbst ein Prozess ist, bei dem eine Vision verkörpert, von der man immer mehr Menschen begeistert und sie mobilisiert, um ein Teil dieser Vision zu sein, an der man selbst arbeitet.
Im Zeitalter der Digitalisierung bedeutet das auch, die neuen Kommunikationsmedien zu nutzen, um dort seine Vision darzustellen. Die Social Media sind aber weit mehr als nur eine Plattform, auf der Ideen zur Schau gestellt werden können. Es sind soziale Netzwerke, die Leader aktiv dazu nutzen müssen, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Ich sehe in den Social Media und deren Abwandlungen wie dem Social Intranet ideale Werkzeuge: Sie helfen, Visionen zu vermitteln und aktiv in konkrete Handlungen zu übersetzen.
#Leadership im digitalen Zeitalter bedeutet Vermittlung einer Vision und Handeln in Verantwortung.
Das große Ganze und der Einzelne: Vernetzung als Schlüsselelement
Vernetzung ist eines der Wesensmerkmale der digitalen Welt und erlaubt es die digitale mit der realen Welt in Beziehung miteinander zu bringen. Man denke nur zurück an die Ereignisse des sogenannten „Arabischen Frühlings“, die „disruptiven“ Geschäftsmodelle von Uber, Airbnb & co. oder den Bereich E-Commerce, bei dem Händler und Kunden vernetzt werden. All diese Beispiele zeigen wie digitale Vernetzung zur effektiven Vernetzung von Menschen (oder Dingen) in der realen Welt genutzt werden können.
Vernetzung muss meiner festen Überzeugung nach ein integraler Bestandteil des Denkens in der Politik und der Wirtschaft werden. Vernetzung in einer digitalen Welt ist ohnehin leichter als je zuvor, warum sollte man die Vorteile, die daraus entstehen also nicht nutzen!? Aus der Vernetzung können viele Vorteile resultieren:
Sie kann ein Schlüsselelement zur Verteilung von Ressourcen werden. Vernetzung bedeutet aber auch Mobilisierung und Mobilität. Die digitale Netze verbinden Menschen miteinander und lassen neue Gemeinschaften entstehen. Digitale Netzwerke können Straßen- und Schienennetze intelligent miteinander verknüpfen, so dass eine Art Mobilität 4.0 entsteht, wie es die Deutsche Bahn vorgestellt hat:
Das Konzept von Leadership in Abgrenzung zu “Führung” bzw. Management
Meine zentrale These ist: Besonders in Zeiten des Wandels und des Umbruchs, wie wir sie heute erleben, brauchen wir ein neues, erweitertes Konzept von Leadership. Nicht etwa weil Leadership „besser“ ist als Führung oder Management – im besten Fall gehen Leadership, Führung und Management Hand in Hand. Leadership erfüllt aber eine grundlegend andere Funktion als Führung oder Management. Ich möchte Leadership vor allem explizit davon abgrenzen, was unter dem Begriff Führung gefasst wird. Das englische Wort Leadership ist zwar auch mit „Führung“ zu übersetzen. Ich finde aber, dass es Sinn macht, beide Begriffe im Deutschen nebeneinander zu benutzen.
Leadership, wie ich es hier definiere, ist geprägt von einer Vision für die Zukunft. Leader verkörpern und arbeiten selbst aktiv und verantwortungsvoll an dieser Vision – Leadership selbst ist ein Prozess. Dadurch bringen Leader Menschen zusammen, die ihre Vision teilen. Im extremsten Fall treten Leader gegen den allgemeinen Trend für ihre Wahrheiten und ihre Überzeugungen ein. Ein so verstandenes Konzept von Leadership befähigt dazu, Menschen gerade in schwierigen Situationen zusammenzuschweißen, um gemeinsam, wenn nötig, in eine neue Richtung zu gehen. Genau diese Fähigkeiten brauchen wir angesichts der epochalen Aufgaben, vor denen wir stehen.